
Von Umweltdaten zu Klimastrategie: Der strategische Sprung vom VSME Basic- zum Comprehensive-Module (Teil 3)
Ihr Investor fragt im Jahresgespräch erstmals nach Ihrer „Klimarisiko-Bewertung“ und Ihren „Scope-3-Emissionen“. Sie schauen auf Ihre VSME Basic-Module-Daten: Stromverbrauch dokumentiert, CO₂-Emissionen der eigenen Anlagen berechnet, Wasserverbrauch erfasst.
Aber eine systematische Klimarisikobewertung oder Scope-3-Emissionen? Das ist eine vollkommen andere Dimension.
Was den VSME Standard angeht, ist der Schritt von den Basic-Umweltmodulen B3 bis B7 zu den Comprehensive-Modulen C3 und C4 ein deutlicher Komplexitätssprung.
In diesem dritten Teil unserer Serie zeigen wir, wo nach unserer Erfahrung mit VSME Beratung die Herausforderungen liegen und welche strategischen Chancen sich bei den Comprehensive-Modulen eröffnen.
Die beiden ersten Teile unserer Serie zur strategischen Herangehensweise an die Berichterstattung nach dem VSME Standard finden Sie hier Der VSME Berichtsstandard für den Mittelstand – wie schwierig ist der Schritt vom Basic zum Comprehensive Module und welche strategischen Überlegungen ergeben sich daraus?
und hier Von Basisinformationen zu strategischer Positionierung.
Die strategischen Reflexionsfragen für die Bearbeitung der Umweltmodule im VSME Standard
Die Umweltmodule des VSME Standards erfordern besonders sorgfältige strategische Überlegungen, da sie sowohl den größten Aufwand als auch die größten strategischen Potenziale bieten.
Die drei zentralen Reflexionsfragen aus Teil 1 unserer Serie angewendet auf Klimathemen lassen sich wie folgt übersetzen:
1. Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Klimaberichterstattung?
Stakeholder-Anfragen erfüllen: Sie möchten die zunehmenden klima- und umweltbezogenen Anfragen Ihrer Banken, Kunden und Investoren professionell und vollständig beantworten können.
Operative Effizienzpotentiale heben: Sie sehen in der systematischen Klimadatenerfassung Chancen für Kostensenkungen durch Energieeffizienz und / oder Ressourcenoptimierung.
Klimaführerschaft als Wettbewerbsvorteil: Sie möchten sich durch proaktive Klimastrategie von Wettbewerbern differenzieren und dadurch neue Marktchancen erschließen.
Zukunftsfähigkeit sichern: Sie antizipieren kommende Klimaregulierung und möchten frühzeitig resiliente Strukturen aufbauen.
2. Wie verknüpft sich Klimastrategie mit Ihrer Unternehmensstrategie?
Kostenoptimierung: Können systematische Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen bestehende Kostensenkungsziele unterstützen (z. B. Optimierung der Energieeffizienz oder Optimierung des Ressourceneinsatzes)?
Innovation und Produktentwicklung: Eröffnen Klimaziele neue Produktchancen oder technologische Entwicklungsrichtungen?
Marktpositionierung: Stärkt eine proaktive Klimastrategie Ihre Positionierung bei klimabewussten Kunden oder in nachhaltigen Marktsegmenten?
Risikomanagement: Ergänzt Klimarisikoanalyse Ihr bestehendes Risikomanagement um zukunftsrelevante Aspekte?
3. Welche konkreten Erwartungen haben Ihre Stakeholder zu Klimathemen?
Finanzpartner: Fragen Banken bereits nach Klimarisiken oder Scope 3 Emissionen? Planen Sie Finanzierungen, die ESG-Kriterien berücksichtigen?
Großkunden: Haben wichtige Kunden eigene Klimaziele formuliert und erwarten von ihren Lieferanten entsprechende Daten?
Investoren: Bei geplanten Beteiligungen oder Übernahmen – welche Klimadaten sind für die Due Diligence erforderlich?
Regulatorische Entwicklung: Welche branchenspezifischen Klimaanforderungen zeichnen sich für Ihr Geschäftsfeld ab?
Die 3 strategischen Reflexionsfragen für Ihre Klimaberichterstattung
Bevor Sie mit der Klimaberichterstattung beginnen, sollten Sie diese grundlegenden Fragen für sich beantworten. Sie bestimmen den strategischen Rahmen für alle weiteren VSME-Entscheidungen in den Klimamodulen.
Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Klimaberichterstattung?
Wie verknüpft sich Klimastrategie mit Ihrer Unternehmensstrategie?
Welche konkreten Erwartungen haben Ihre Stakeholder zu Klimathemen?
B3 bis B7: Die Umwelt-Basis des VSME Standards
Das Basic Module erfasst die wichtigsten Umweltkennzahlen, die den meisten Unternehmen bereits vertraut sind:
B3 sammelt die Standard-Klimadaten: Gesamtenergieverbrauch (Strom, Gas, Fernwärme, Kraftstoffe), Scope 1-Emissionen (direkte Emissionen aus eigenen Anlagen) und Scope 2-Emissionen (indirekte Emissionen aus eingekaufter Energie).
Diese Daten können die meisten Unternehmen aus ihren Energierechnungen und mit Standard-Emissionsfaktoren berechnen.
B4 bis B7 – weitere umwelt- und klimarelevante Kennzahlen: Auch die in diesen Grundmodulen des VSME Standards angefragten Daten dürften keine unüberwindlichen Hürden für die meisten Unternehmen darstellen: B4 B4 – Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung kann mit einfachen Ja/Nein-Fragen zu Schad- und Gefahrstoffen beantwortet werden. B5 – Biodiversität fragt nach Standorten in Schutzgebieten und grundlegenden Biodiversitäts-Überlegungen. B6 – Wasser erhebt grundlegende Angaben zu Wasserverbrauch und -qualität. B7 – Ressourcen und Abfall bezieht sich auf das Abfallaufkommen und die Recyclingquoten Ihres Unternehmens.
Die Gemeinsamkeit aller Basic-Module: Sie erfassen bereits vorhandene Daten oder lassen sich mit überschaubarem Aufwand aus bestehenden Systemen ableiten.
C3/C4: Das Comprehensive-Module im VSME zu Klima und Umwelt
Die Comprehensive-Module C3 und C4 heben die Klimaberichterstattung auf ein anderes Niveau. Hier geht es nicht mehr nur um Datenerfassung, sondern um strategische Klimaplanung.
C3 mit dem Fokus auf Treibhausgas-Reduktionsziele und Klimatransition: Gefragt sind konkrete Reduktionsziele mit Zeitplänen und Strategien zur Erreichung der Klimaziele. Ebenso werden in diesem Comprehensive-Module neben Scope 1 und Scope 2 Emissionen, die im Basic-Module abgefragt werden, auch Angaben zu den Scope 3 Emissionen gefordert. Also zu den Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette. Dazu passt die Frage nach einem Übergangsplan zur Klimaneutralität.
C4 betrachtet Klimarisiken: Beispielsweise zu physischen Klimarisiken (z.B. Extremwetter und Klimaveränderungen), transitorischen Risiken (etwa durch Regulierung, Marktveränderungen oder Technologiewandel), die Auswirkungen auf das Geschäftsmodell und schließlich auch zu Anpassungsmaßnahmen.
Die Komplexitäts-Realität: Unsere Praxis-Erfahrung
Unsere Einschätzungen zum Mehraufwand, der sich aus den Comprehensive-Modulen C3 und C4 des VSME Standards ergibt, haben wir in den folgenden Abschnitten zusammengefasst.
C3 mit Scope 3-Emissionen – 3 bis 8 Monate Bearbeitungszeit: Die Erfassung von Scope 3 Emissionen ist komplex und zeitaufwendig. Viele Daten müssen entweder bei Lieferanten erhoben oder berechnet werden. Die Umsetzung erfordert oft externe Expertise und spezialisierte Tools bzw. Datenbanken. Eingeplant werden sollte auch eine iterative Herangehensweise, um die Datenqualität sicherzustellen.
C4 mit dem Fokus auf Klimarisiken – Strategiearbeit mit 4 bis 8 Wochen Bearbeitungszeit: Mit einer systematischen Herangehensweise und den richtigen Frameworks lassen sich professionelle Klimarisikobewertungen entwickeln. Die meisten Unternehmen haben bereits ein Risikomanagement, das um Klimaaspekte erweitert werden kann.
Unsere Erfahrung: Während andere Comprehensive-Module oft in wenigen Wochen umsetzbar sind, sollte bei der Bearbeitung der Scope 3 Emissionen mehr Zeit eingeplant werden.
Gap-Analyse: Der größte Sprung im VSME
Der Unterschied zwischen den Grundmodulen B3 bis B7 und den Aufbaumodulen C3 und C4 ist fundamental:
Von der reinen Datenerfassung zu strategischer Planung: Die Basic Modules (B3 bis B7) sammeln bereits vorhandene oder leicht erfassbare Umweltdaten. Im Gegensatz dazu sind die Comprehensive Module (C3 und C4) auf die Entwicklung von Strategien (mit Zielen, Maßnahmen und Risikobewertung) ausgelegt.
Von interner Sicht zu Lieferketten-Perspektive bei Scope 3 Emissionen: Das Comprehensive Module C3 erweitert den Blick von den eigenen Anlagen auf die gesamte Wertschöpfungskette. Das erfordert gänzlich neue Datenquellen und Analysemethoden.
Strategische Herangehensweise oder die Abwägung von Quick Wins vs. langfristigen Projekten
Unsere Empfehlung ist, mit der Erfassung von Scope 3 Emissionen zu starten. Die Erfahrungen und das aggregierte Wissen ist eine wertvolle Grundlage für die strategischen Überlegungen in C4.
Konkret bedeutet dies die Beschäftigung mit dem Greenhouse Gas Protocol (Scope 3), eine Analyse der relevanten Up- und Downstream-Aktivitäten einschließlich Scope 3-Hotspot-Identifikation, Stakeholder-Engagement-Programme und dann den Einstieg in die Erfassung bzw. Berechnung der Emissionsaktivitäten.
Daran anschließend oder bei ausreichend Ressourcen kann mit der Informationsaufbereitung und der Bearbeitung des Comprehensive-Modules C4 begonnen werden – der systematische Klimarisikoanalyse, Definition realistischer THG-Reduktionsziele und Entwicklung einer Klimastrategie.
Eine systematische Klimastrategie identifiziert oft erhebliche Kostensenkungspotentiale (Energieeffizienz, Materialoptimierung, Prozessverbesserungen etc.)
Die strategischen Mehrwerte von C3 und C4
Finanzmarkt-Readiness: Banken und Investoren fragen zunehmend nach Treibhausgasemissionen und Klimastrategien. Die Comprehensive Module C3 und C4 schaffen die Grundlage für professionelle ESG-Finanzierung und bessere Kreditkonditionen.
Lieferketten-Integration: Großkunden entwickeln eigene Scope 3-Programme und erwarten von Lieferanten entsprechende Daten und nicht selten ein klares Verpflichtung zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Das Comprehensive Module C3 positioniert Sie als strategischen Partner statt als reinen Datenlieferanten.
Operative Effizienzgewinne: Eine systematische Klimastrategie identifiziert oft erhebliche Kostensenkungspotentiale (Energieeffizienz, Materialoptimierung, Prozessverbesserungen etc.).
Integration in die Nachhaltigkeitsstrategie
Die beiden Comprehensive Module C3 und C4 sind prädestiniert für eine strategische Integration. Klimaziele lassen sich ausgezeichnet mit Geschäftszielen verknüpfen. Beispielsweise als Kostenreduktion durch Energieeffizienz, Marktchancen durch klimafreundliche Produkte oder Risikominimierung durch Lieferkettenresilienz.
Eine integrierte Herangehensweise übersetzt die Klimaberichterstattung in Geschäftsstrategie. Mehr zu diesem strategischen Ansatz finden Sie in unserem Artikel zur ESG-Strategie Teil 1: Nachhaltigkeitsreporting allein erzeugt noch keinen Mehrwert für Ihr Unternehmen.
Unser Fazit zum Aufbaumodul C3 und C4: komplex, aber strategisch wertvoll
Die Aufbaumodule C3 und C4 gehören zu den strategisch wichtigsten Comprehensive-Modulen, erfordern aber eine realistische Planung und strategische Herangehensweise. Das bedeutet für das Modul C4 (Klimarisiken): Ein strategisch wichtiger Beitrag kann realisiert werden, aber eine systematische Herangehensweise muss dafür berücksichtigt werden. Das Modul C3 (Scope 3 Emissionen) sollte als langfristiges Projekt mit hohem strategischen Wert angelegt werden. Die Treibhausgasbilanzierung ist keine Übung, die nur einmal, sondern jährlich durchgeführt wird.
Die „Klimamodule“ sind besonders wichtig für Unternehmen, für die klimabezogene Fragen relevant für die Unternehmensfinanzierung sind, die Großkunden mit eigenen Klimazielen beliefern, proaktiv regulatorische Entwicklungen antizipieren und die operative Effizienzpotentiale systematisch heben möchten.
Die Aufbaumodule C3 und C4 gehören zu den strategisch wichtigsten Comprehensive-Modulen, erfordern aber eine realistische Planung und strategische Herangehensweise.
Nächste Schritte: Ihre Klimastrategie-Entwicklung
Die Module C3 und C4 erfordern strategische Planung und realistische Zeitplanung. In einem kostenfreien Erstgespräch analysieren wir gerne Ihre Ausgangslage und entwickeln einen phasenweisen Umsetzungsplan.
Dabei klären wir, welche Klimadaten Sie bereits haben und welche noch ermittelt werden müssen. Ob Sie mit C4 oder vereinfachten C3-Elementen starten sollten, welche externe Unterstützung für Scope 3-Analysen sinnvoll wäre und wie sich eine Klimastrategie in Ihre Geschäftsstrategie integrieren lässt
Häufige Fragen zum VSME-Standard
Hier beantworten wir typische erste Fragen zum VSME-Standard.
Weitere Antworten finden Sie auf unserer Homepage unter Fragen und Antworten.
Wie detailliert müssen die Nachhaltigkeitspraktiken in C2 beschrieben werden?
Der VSME gibt ein strukturiertes Template vor, das durch alle ESG-Bereiche führt. Wichtig ist eine ehrliche Darstellung bestehender Aktivitäten.
Wie lange dauert eine Scope 3-Analyse?
Unsere Erfahrung: 3 bis 6 Monate für eine grundlegende Analyse, wobei je nach Komplexität der Wertschöpfungsketten auch mehr Zeit für eine umfassende Lieferkettenbetrachtung berücksichtigt werden sollte, da der Aufwand stark von der Lieferkettenstruktur abhängt.
Welche externe Unterstützung benötigen wir für die Comprehensive Modules C3 und C4?
Für C4 reicht oft strategische Beratung. Für C3 (insbesondere Scope 3) empfehlen sich spezialisierte Tools und methodische Expertise. Viele Unternehmen nutzen externe Unterstützung für die initiale Implementierung ihres Carbon Accountings bzw. ihrer Treibhausgasbilanzierung.
Können Klimaziele ohne vollständige Scope 3-Analyse gesetzt werden?
Viele Unternehmen beginnen mit Scope 1 und 2-Zielen und erweitern diese später um Scope 3-Aspekte. Wichtig ist Transparenz über den aktuellen Abdeckungsgrad der Ziele.
Welche Business Cases rechtfertigen den Scope 3-Aufwand?
Scope 3-Analysen lohnen sich besonders bei Finanzierungsanforderungen, Großkunden-ESG-Programmen, geplanten Nachhaltigkeitszertifizierungen oder wenn die Hauptemissionen außerhalb der eigenen Anlagen stattfinden.
Ausblick auf Teil 4: Soziale Aspekte und Mitarbeiterbelange
Im nächsten Teil unserer Serie wenden wir uns den sozialen Basic Modules B8 bis B10 und den Comprehensive Modules C5 bis C7 zu.
Hier zeigt sich ein gänzlich anderes Bild, denn viele der Comprehensive Modules können mit vorhandenen HR-Daten schnell bearbeitet werden – ein willkommener Kontrast zur Klimakomplexität.
Die Autorin:

Naomi Becker
Nachhaltigkeit kommunizieren
Naomi Becker ist spezialisiert auf Nachhaltigkeitskommunikation und soziale Aspekte
Kontaktieren Sie uns!

Sie wollen Ihre Nachhaltigkeitsziele in die Umsetzung bringen? Sie wollen mehr über ein ESG-Reporting abgestimmt auf Ihr Unternehmen erfahren? Unterhalten wir uns!
Sie erreichen uns telefonisch unter
+49 (0)7459 931 2429
Oder senden Sie eine Mail an
Buchen Sie unverbindlich Ihren Discovery-Call: